«Culinaria - Wir packen ein» in Wohlen b. Bern
Mittwoch, 13.00 Uhr – Die Vorbereitungen für die Abgabestelle im Culinaria in Wohlen bei Bern laufen auf Hochtouren. Um 14.30 Uhr geht es los. Die fleissigen Helferinnen und Helfer sortieren die gespendeten Lebensmittel nach Produktkategorien. Sarah Flury, Leiterin der Fachstelle Arbeit der Regionalen Sozialen Dienste Wohlen und Projektleiterin Culinaria, gibt letzte Anweisungen.
Das «Culinaria – Wir tischen auf» wurde 2015 gegründet und ist ein Projekt der Fachstelle Arbeit der Regionalen Sozialen Dienste Wohlen mit den Gemeinden Wohlen, Kirchlindach, Meikirch, Frauenkappelen und Bremgarten. Ziel des Projekts ist die Beschäftigung von Sozialhilfebezüger:innen, die aus unterschiedlichen Gründen keine Chance auf eine Anstellung im ersten Arbeitsmarkt haben. Die Teilnehmenden werden von sechs festangestellten Mitarbeitenden, darunter vier Köche, begleitet. Von Montag bis Freitag werden rund 1000 Mahlzeiten zubereitet, die an Kitas und Tagesschulen geliefert werden. Ausserdem wird ein Seniorenmahl-zeitendienst betrieben. Das Projekt wird durch den Kanton und die Gemeinden der Sozialen Dienste Wohlen und durch die Einnahmen aus den verkauften Mahlzeiten finanziert.
Im Januar 2022 ist aus dem Culinaria ein weiteres Projekt entstanden: Das «Culinaria – Wir packen ein». 2021 beschloss der Kanton, Menschen mit einem F-Ausweis die Sozialhilfeleistungen um 30% zu kürzen. Dem Culinaria-Team war sofort klar, dass Handlungsbedarf besteht. Sarah Flury beschreibt «Wir packen ein» als eine Plattform rund um die Themen Foodwaste, Armut und Beschäftigung. Das Projekt unterstützt Armutsbetroffene mit einwandfreien Lebensmitteln, welche wöchentlich durch die Schweizer Tafel geliefert werden. Zudem darf Culinaria bei zwei Migros- und zwei Lidl-Filialen sowie zwei weiteren Spendern Waren abholen. Mit diesen Lebensmittelspenden wird jeden Mittwoch die Abgabestelle durchgeführt. Bei den Vorbereitungen wird je nach Menge der Produkte ein Abgabeschlüssel definiert. Derzeit sind beim «Culinaria – Wir packen ein» 94 Haushalte, bestehend aus 280 Personen, registriert. Etwa 45 Familien beziehen wöchentlich Lebensmittel. Die Reihenfolge des Bezugs bestimmt die vorgängige Lottoziehung bei Kaffee und Kuchen. Das Beisammensein bei Kaffee und Kuchen bietet den Klientinnen und Klienten die Möglichkeit für den sozialen Austausch untereinander und ist für Sarah Flury eine gute Gelegenheit, um auf niederschwellige Weise ins Gespräch zu kommen.
Wie beim Projekt «Wir tischen auf» engagieren sich auch beim Projekt «Wir packen ein» Sozialhilfebezüger:innen und freiwillige Helfer:innen. Derzeit ist «Wir packen ein» zu 100% spendenfinanziert. Sarah Flury betont, dass sich Culinaria aktiv gegen Foodwaste einsetzt und mit «Wir packen ein» gleichzeitig ein niederschwelliges Angebot für Armutsbetroffene angeboten werden soll. Das Erfolgsrezept sei die Haltung gegenüber den Menschen. Dazu zählt auch ein Beteiligungsprojekt, das vom Bundesamt für Sozialversicherungen unterstützt wird. In diesem Rahmen habe kürzlich ein Workshop inklusive Abendessen stattgefunden, bei dem klar wurde, dass sich sowohl Schweizer als auch Migrantinnen und Migranten mehr interkulturelle Anlässe wünschen.
Diese Haltung gegenüber den Menschen sei ihnen sehr wichtig, erzählt uns Sarah Flury, und ergänzt: «Wir haben uns auch deshalb für eine Zusammenarbeit mit der Schweizer Tafel entschieden und sind darüber sehr glücklich. Mit der Schweizer Tafel haben wir einen zuverlässigen Partner an unserer Seite und wir dürfen unsere Abgabestelle ohne Einschränkungen und ganz nach unseren Vorstellungen gestalten.»
Heute befindet sich das Projekt «Wir packen ein» im Kipferhaus in Wohlen bei Bern, die Platzverhältnisse sind beschränkt. In absehbarer Zeit soll ein neuer Standort gefunden werden. Ihr Ziel sei es, in Zukunft vor Ort auch niederschwellige Sozialberatungen anbieten zu können. Ausserdem möchte das Team Produkte aus geretteten Lebensmitteln herstellen und zum Verkauf anbieten. Der Erlös würde dem Projekt zugutekommen.
Zur kurzen Fotosession nach dem Interview kommen noch Koch und Koordinator Marc Nydegger und Praktikantin Jana Zutter dazu. Was ihre Motivation angeht, sind sich die Drei auf Anhieb einig: «Wir haben Freude an der Arbeit und wir wollen dort schnelle und unkomplizierte Hilfe leisten, wo unser System versagt.»
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