«Open Heart» im Kreis 4 in Zürich
Im Open Heart der Heilsarmee, nahe der Langstrasse in Zürich, werden wir von Pjtsch und Becky Kupferschmid herzlich begrüsst. Pjtsch führt die Institution, welche 1996 gegründet wurde, seit rund zwei Jahren. Seine Ehefrau Becky ist Teilzeit für das Open Heart tätig. Pjtsch ist Sozialpädagoge, Becky hat früher im Büro gearbeitet. Gemeinsam reisten sie vor knapp drei Jahren nach Nordamerika und halfen während sechs Monaten in verschiedenen Organisationen in der Suchtarbeit mit. Diese Zeit habe sie sehr geprägt, erzählen uns Pjtsch und Becky.
Nach ihrer Rückkehr fragten sie bei der Heilsarmee an und landeten schliesslich im Open Heart. Janine unterstützt das kleine Team als Praktikantin, parallel zu ihrer Ausbildung als Sozialbegleiterin. Zudem helfen zahlreiche Freiwillige mit, darunter auch solche, die den Absprung aus der Sucht geschafft haben.
Der Fokus der Organisation liegt in der Gassen- und Suchtarbeit. Die kleine Street Crew, wie sich selbst nennen, ist nachmittags mit gefüllten Taschen auf den Strassen im Kreis 4 und 5 unterwegs. Sie verteilen Sandwichs, Salate, Schokolade und sonstige gespendete Lebensmittel, welche unkompliziert auf der Gasse konsumiert werden können. Ausserdem suchen sie das Gespräch mit den suchtkranken Menschen und bieten ihnen eine Beschäftigung an.
Das Beschäftigungsprogramm liegt Pjtsch, Becky und Janine besonders am Herzen. Von Montag bis Donnerstag von 14.00 bis 17.00 Uhr wird mit Menschen mit Suchthintergrund gebastelt und gebacken. «Suchtkranke ins Programm zu holen, ist schwierig. Am besten funktioniert es, wenn sich die Suchtkranken untereinander motivieren, bei uns vorbeizuschauen. Wir können damit punkten, dass jeder kommen und gehen kann, wann er will. In anderen Programmen müssen die Betroffenen um 9 Uhr erscheinen und bis 17 Uhr bleiben. Durch die Beschäftigung geht der Konsum der verschiedenen Substanzen zurück. Die Menschen haben eine Aufgabe und können selbst etwas erschaffen», erzählt uns Pjtsch. Im Winter bietet das Open Heart auch Filmabende an. Wenn die Klientinnen und Klienten das Open Heart dann mit einem Lächeln verlassen, haben Pjtsch, Becky und Janine schon viel erreicht. Die Arbeit mit Suchtkranken erfordere auch viel Geduld und Rückschläge seien ganz normal. Gleichzeitig sei es wichtig, dass die Crew sich die Schicksale nicht zu sehr zu Herzen nimmt. «Wir dürfen den Humor nicht verlieren», ergänzt Becky.
Die Schicksale sind sehr verschieden. Manche hatten einen guten Job und ein stabiles Umfeld, dann rutschten sie nach einem unvorhergesehenen Ereignis in die Sucht ab. Der Alkohol betäubte die Schmerzen, Medikamente wurden zu lange unkontrolliert eingenommen. Im Open Heart werden bislang keine Therapiemöglichkeiten angeboten, die Crew ist aber vermittelnd tätig. Ausserdem arbeiten sie eng mit der Kontakt- und Anlaufstelle des Kantons zusammen.
Manchmal kommt es auf der Strasse auch zu Auseinandersetzungen. Deshalb gehen sie nie allein auf Tour. Zur eigenen Sicherheit haben alle drei einen Selbstverteidigungskurs absolviert. Gleichzeitig schildert uns Pjtsch, dass die Menschen auf der Strasse wie eine Familie zusammenhalten. Heute kriegen sie sich in die Haare und morgen sitzen sie wieder Arm in Arm auf einer Bank. Schwierig sei für das Team vor allem die Hilflosigkeit: «Die betroffenen Menschen passen nicht in unser System, viele haben aufgegeben. Sie sehen keine Chance mehr und wollen weg, von der Stadt aufs Land, aber ein Wechsel der Sozialhilfe ist nicht möglich». Im Open Heart erhalten die Menschen ein offenes Ohr und einen Ort, an dem sie sich wohlfühlen.
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