Ein Erfahrungsbericht von Philipp Schreier

Philipp Schreier ist seit April 2022 Leiter der Region Zürich/Aargau. Als Hotelfachschulabsolvent hat er seine Wurzeln in der Hotellerie und Gastronomie. Er habe schon immer sehr dienstleistungsorientiert gearbeitet, egal in welchem Bereich. Diese Stärke durfte er in verschiedenen Gastrobetrieben als Leitungsperson unter Beweis stellen. Als die Corona-Pandemie seine Welt ins Wanken brachte, entschied er sich, die «Auszeit» zu nutzen und meldete sich für einen Auslandseinsatz der Schweizer Armee an. Die Zeit in Bosnien-Herzegowina war der Anstoss für sein heutiges Engagement bei der Stiftung Schweizer Tafel.

Ich möchte gerne was zurückgeben

Meine Aufgabe während meines Einsatzes war die Erstellung von Berichten über die ökonomische, politische und soziale Entwicklung sowie die allgemeine Sicherheitslage im Einsatzgebiet. Dabei arbeitete ich eng mit den lokalen Behörden, der Bevölkerung und den internationalen Organisationen vor Ort im Ressort Gesundheit zusammen. Die Aufgaben waren anspruchsvoll und unglaublich lehrreich. Das Land wurde stark von der Pandemie getroffen. Menschen, die in die Armut abrutschten, erhielten keine staatliche Unterstützung, hier griff die Nachbarschaftshilfe, die Nächstenliebe der Mitmenschen. In der Schweiz verfügen wir über ein Auffangnetz mit diversen Unterstützungspaketen. Doch mir war bereits bewusst, dass diese Netze auch in meinem Heimatland löchrig waren. Daher kristallisierte sich rasch heraus, dass ich nach meiner Rückkehr meinen Mitmenschen in der Schweiz etwas zurückgeben und einer sinnstiftenden Arbeit nachgehen wollte.

Ich erkundigte mich also, welche gemeinnützigen Organisationen in der Schweiz tätig sind und welche zu mir passen würden. Bei meiner Recherche stiess ich schon bald auf die Schweizer Tafel. Ich dachte mir: Genial, eine Stiftung, die sich aktiv gegen die Verschwendung von Lebensmitteln einsetzt und gleichzeitig von Armut betroffenen Personen hilft. Diese Kombi liess mein Gastroherz natürlich höherschlagen.

Neuer Blickwinkel

Seit ich im April 2022 die Leitung der Region Zürich/Aargau übernommen habe, hat sich mein Blickwinkel auf die Themen Foodwaste reduzieren und Armut lindern gewandelt. Es ist mir heute wichtig, mein gewonnenes Wissen weiterzugeben und die Bevölkerung zu sensibilisieren. Armut darf kein Tabuthema sein. Ja, auch in der «reichen» Schweiz sind 8.7% der Bevölkerung von Armut betroffen. Auch in der Schweiz gibt es Menschen, die zu wenig Essen haben und auf Lebensmittelhilfen angewiesen sind. Zudem finde ich es bemerkenswert, wie sich mittlerweile diverse Organisationen gegen Foodwaste einsetzen. Gerade der Ballungsraum Zürich ist enorm spannend. Hier testen viele Unternehmen Pilotprojekte und viele Startups starten in Zürich.

Netze haben Löcher

Dass die Auffangmechanismen in der Schweiz nicht für alle greifen, war mir zwar bewusst, doch wie viele Menschen auf Unterstützung angewiesen sind, hat auch mich überrascht. Hier springen privat oder halbprivat organisierte Institutionen ein, die durch Spenden und freiwilliges Engagement getragen werden. Diese Rettungsanker sind im Alltag für Menschen ohne entsprechenden Bedarf fast unsichtbar und leisten dennoch einen unverzichtbaren Dienst an der Bevölkerung. Ich rechne es den Menschen hoch an, die ihre freie Zeit für andere bereitstellen. Dass sie sich hinstellen und eine Abgabestellen organisieren, für andere kochen oder einfach nur zuhören und einen Austausch ermöglichen. Dieses freiwillige Engagement ist unglaublich. An dieser Stelle ein grosses Merci, ihr seid grossartig!

Wissen weitergeben

Heute bin ich aufmerksamer als noch vor wenigen Jahren. Ich wünsche mir, dass Menschen, die beruflich oder privat keine grossen Berührungen mit den Themen Foodwaste und Armut haben, sich mehr damit auseinandersetzen. Ich merke auch in meinem Bekanntenkreis, dass die Zahlen oft überraschen. Schön finde ich Projekte, welche unsere Stiftung mit Schulen umsetzen darf. Ich wurde bereits in mehrere Klassen eingeladen, um mehr über unsere tägliche Arbeit bei der Schweizer Tafel zu erzählen. Wenn dann auch noch Aktivitäten, wie Kochen mit geretteten Lebensmitteln eingebaut werden, können sich die Schüler ein gutes Bild machen und ihr gewonnenes Wissen zu Hause oder später in der Berufswelt einsetzen. Ein Engagement im Bereich Corporate Volunteering wird auch für Firmen immer attraktiver.

Zu meinen Highlights bei der Schweizer Tafel gehören diverse Events, an denen ich referieren durfte. Vor kurzen fand die Konsumententagung «Zu verbrauchen bis … zum letzten Biss!» des Migros-Genossenschafts-Bunds statt. Das war ein toller Austausch. Ich erinnere mich auch gerne an meinen ersten Vortrag in der Dorfkirche Eriswil. Gefühlt war das ganze Dorf versammelt. Ich war etwas nervös, als ich realisierte, dass die Kirche bis zum letzten Platz gefüllt war. Auch zukünftig werde ich mich engagieren und die Bevölkerung für die Themen Lebensmittelrettung und Armutsbekämpfung sensibilisieren.

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2023-07-18T10:03:27+02:00
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