Gassenarbeit Elim

Der Zivildienstleistende Andy ist als erster im Haus Elim und startet mit den Vorbereitungen für den heutigen Tag. Währenddessen ist Chris unterwegs zum Wohnwagen-Stellplatz. Andy packt Bottiche für frisches Wasser zusammen, füllt gekochtes Wasser für Kaffee in Wärmebehälter ab, brüht Eistee auf und holt Kleinmaterial wie Becher, Servietten und Lebensmittel, die vom Vortag übriggeblieben sind. Chris fährt mit dem Wohnwagen bei Haus Elim vor und gemeinsam wird der Waagen beladen. Nun geht es in Richtung Riehenring, zu einem kleinen Kiesplatz neben der Strasse. Dort kommen sie um etwa 8.30 Uhr an. Das Team, bestehend aus einem Sozialpädagogen, einem Zivi und zwei freiwilligen Helfer:innen, beginnt mit dem Aufbau. Tische und Stühle werden aus den Wagen gehievt und aufgestellt. Einige Stühle werden im Kreis um eine Feuerschale mit Rost platziert. Hier wird später das Mittagessen über dem Feuer gekocht, denn eine Küche ist im Wohnwagen nicht miteingebaut. Kaum sind sie mit dem Aufbau fertig, kommen schon die ersten Klientinnen und Klienten.

Chris erklärt: «Früher, als wir noch keinen Wohnwagen hatten, waren wir auf der Gasse unterwegs, um Getränke und Essen zu verteilen. Heute sind wir in der Szene bekannt und akzeptiert. Die Klientinnen und Klienten kommen zu uns in den Riehenring. Dies ermöglicht uns auch ein besseres Angebot.» Die ersten Besucher:innen fragen nach einem Kaffee und Wasser. Mit zunehmenden Temperaturen kommen manche Personen mehrere Male am Tag für Getränke. Etwas später befüllt Chris die Feuerschale mit neuer Kohle, die einer der Freiwilligen vorbeibringt. «CHF 9.95 hat es gekostet, das ist teuer für so einen Sack», schüttelt Chris den Kopf und fragt sich, weshalb die Preise so hoch sind. An einem der Tische haben ein paar Klient:innen Platz genommen und tauschen sich aus. Es sind insbesondere Drogenabhängige, welche die Gassenarbeit Elim aufsuchen. Sie berichten untereinander, wie es ihnen in den letzten Tagen ergangen ist. Der Kiesplatz mit dem Wohnwagen ist nicht nur eine Anlaufstelle für Verpflegung, sondern auch ein Treffpunkt. Auch bei der Feuerschale setzen sich nach und nach Personen hin. Ein Gähnen ist hinter einem der Büsche hörbar, ein Klient hatte auf einem Liegestuhl genächtigt, steht nun auf, holt sich etwas Wasser und setzt sich ebenfalls ans Feuer. «Seit 44 Jahren lebe ich in der Gasse», berichtet er. Er hat bereits viel erlebt und gesehen und die unterschiedlichsten Rauschmittel ausprobiert. Als Jugendlicher fiel er in die Obdachlosigkeit und kam von der Gasse nicht mehr weg.

Der Mann, der vor 44 Jahren den Anschluss an die Gesellschaft verloren hatte, ist kein Einzelfall. Die Gassenarbeit Elim begrüsst zweimal in der Woche an die 100 bis 120 Klientinnen und Klienten im Riehenring. Organisationen, die Gassenarbeit leisten, so wie die Diakonische Stadtarbeit Elim, werden zunehmend wichtiger. Chris erzählt: «Wir sind für viele Betroffene eine erste Anlaufstelle. Wir leben von kleinen Erfolgen, wenn sich einer unserer Besuchenden für ein persönliches Gespräch entschliesst oder wenn wir gemeinsam Ziele setzen können. Das Elim bietet nebst der Gassenarbeit und einem Café auch ambulante Wohnbegleitung und ein Care-Angebot an. Ich wünsche mir, dass Menschen, die in die Obdachlosigkeit abfallen, möglichst rasch mit einem Obdach aufgefangen werden. Gerade bei Jugendlichen ist es wichtig schnellstmöglich reagieren zu können. Sie sind für Überdosen am meisten gefährdet.»

«Die Menschen, die uns besuchen, sind in einem gesundheitlich sehr schlechten Zustand. Einige sind unterernährt, leiden unter mangelnder Hygiene und die Suchterkrankung setzt dem Körper zu. Oft gehen die Betroffenen erst kurz vor dem Sterben ins Spital. Einerseits hemmt die Scham ein früheres Reagieren, dann die Angst vor entstehenden Kosten, aber auch das fehlende Vertrauen ins System.»

Zwischen 11.00 Uhr und 12.00 Uhr fährt das Schweizer Tafel Fahrzeug vor. Die beiden Fahrer steigen aus und begrüssen das Elim-Team. Chris berät sich kurz mit den Beiden, dann werden die Kisten ausgeladen und die Lebensmittel für heute werden entweder in den Wohnwagen getragen oder auf einem der Tische platziert. Dann verabschieden sich die beiden und fahren mit ihrer Sammel- und Verteiltour der Schweizer Tafel fort und das Team-Elim beginnt mit dem Verarbeiten der erhaltenen Produkte: Salate, Tomaten, Paprika, Pilze, Gurken, Brote und Obst. Chris beschliesst einen Gemüse-Eintopf aus den Pilzen und den Paprika zu kochen. Fleisch hat er ebenfalls. Dazu gibt es grünen Salat und einen Tomaten-Gurken-Salat. Fleissig wird geschnippelt. Es ist alles eher improvisiert und etwas chaotisch. Die Mittel sind begrenzt, daher zaubert das Team jeweils aus den vorhandenen Lebensmitteln das bestmögliche Ergebnis. Die Klientinnen und Klienten danken es ihnen. Rund 40 bis 50 Portionen werden zubereitet. «Die Portionen sind eher klein, da die Besucher:innen nicht viel essen wollen oder können.»

Ab 12.30 Uhr beginnen Chris und seine Helfer:innen mit der Essensausgabe. Etwa bis 15.30 Uhr dürfen die Leute vorbeikommen, danach wird alles wieder zusammengeräumt. Um 16.00 Uhr verabschiedet sich das Team und Chris und Andy fahren zurück zum Haus Elim. Ein weiterer Tag der Gassenarbeit Elim ist zu Ende. Andy sagt: «Die Erfahrungen, die ich aus meinem Zivildiensteinsatz mitnehmen werde, werden mich auch zukünftig im Alltag begleiten und geben mir einen neuen Blickwinkel auf mein eigenes Leben.»

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2023-07-31T09:31:24+02:00
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