Emmaus Bern
Im Schatten der pulsierenden Stadt Bern findet sich ein Ort der Zuflucht und Gemeinschaft: das Emmaus Bern. Ein unscheinbares Lagerhaus, das einst der Firma Fritz Kipfer Umzüge gehörte, ist seit 2017 das Zuhause für Menschen, die auf der Strasse gestrandet sind. Hier haben sie nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch eine Chance, ihr Leben neu zu ordnen. Gregor Lehmann, der seit 2022 als Geschäftsführer die Geschicke des Hauses leitet, empfängt uns mit einem freundlichen Lächeln. «Das hier ist mehr als nur ein Obdach», erklärt er. «Wir geben den Menschen eine Tagesstruktur und die Möglichkeit, Teil einer Gemeinschaft zu sein.»
Gregor Lehmann ist seit 2016 bei Emmaus Bern. Zunächst als Teamleiter, hat er schnell den Übergang in die Position des Geschäftsführers gemeistert. Seine berufliche Reise war jedoch nicht immer geradlinig. Mit 54 Jahren verlor er seine Anstellung in einem Brockenhaus, eine Erfahrung, die ihn tief geprägt hat. «Ich kenne die Unsicherheit und das Gefühl, plötzlich ohne Perspektive dazustehen», sagt er. Diese persönlichen Erfahrungen machen ihn heute zu einem empathischen Leiter, der die Herausforderungen seiner Schützlinge aus erster Hand versteht.
Das Emmaus Bern bietet zehn Schlafplätze für Menschen ohne Obdach. Für Schweizer Staatsbürger gibt es keine zeitliche Begrenzung des Aufenthalts, während Ausländerinnen und Ausländer aus regulatorischen Gründen maximal 90 Tage bleiben dürfen. Trotz der schwierigen Bedingungen versucht das Emmaus, für alle offen zu sein. «Wir müssen nicht registrierte Personen bei der Fremdenpolizei melden», bedauert Gregor, «aber wir tun unser Bestes, um jedem zu helfen, der an unsere Tür klopft.»
Das Herzstück des Hauses ist die grosse Brockenstube, in der sowohl Bewohner als auch Companions mithelfen. Die Companions sind diejenigen, die hier nicht nur ein temporäres Zuhause gefunden haben, sondern dauerhaft im Emmaus leben und die tägliche Arbeit des Hauses unterstützen. Einer von ihnen ist Charly. Mit 27 Jahren gehört er schon fast zum Inventar des Hauses. Seine Geschichte ist eine von vielen, die das Emmaus geprägt haben. Als junger Mann geriet er auf die schiefe Bahn, verlor seine Lehre als Bäcker wegen Drogenkonsums und landete auf der Strasse. «Ich wollte mich nicht beim Sozialamt anmelden», erzählt er. «Das würde ich auch heute nicht machen. Ich hätte das Gefühl zu schmarotzen.»
Es war ein glücklicher Zufall, dass Charly vor sieben Jahren von der damaligen Leiterin des Emmaus Bern entdeckt wurde, als er bettelnd auf der Strasse sass. «Das war der Impuls von aussen, den ich gebraucht hatte, um aus der Abwärtsspirale rauszukommen», sagt er rückblickend. Heute ist er ein fester Bestandteil der Gemeinschaft, hilft bei Räumungen, im Haushalt und vor allem in der Küche. «Wir bekommen viel Gemüse von der Schweizer Tafel», erzählt er, «das kann man wunderbar zu einem Curry verarbeiten.» Charlys asiatische Currys sind bei den Leuten im Emmaus beliebt. «Zum Glück kocht er», scherzt Gregor, «wenn ich es machen würde, käme das nicht gut.»
Die Schweizer Tafel liefert zweimal pro Woche, montags und donnerstags, Lebensmittel ins Emmaus Bern. Diese Lebensmittelspenden sind eine wichtige Grundlage für die tägliche Verpflegung der Bewohner. «Wenn in Zukunft auch Fleisch geliefert werden könnte, wäre das wunderbar», wünscht sich Gregor. «Wir machen auch viele Räumungen, da braucht man Kraft.»
Charly träumt davon, eines Tages eine Ausbildung zu absolvieren. Ihm ist klar, dass dies der nächste Schritt sein muss, um im Leben weiterzukommen. «Am liebsten würde ich eine Lehre beim Emmaus machen», sagt er, doch er bewirbt sich auch für Stellen als Koch, Bäcker oder im Detailhandel. Sein grösster Wunsch ist jedoch eine Ausbildung als Hauswart. «Weil ich da meine Arbeit am ehesten selbst planen könnte und niemand dreinredet», meint er schmunzelnd.
Das Emmaus Bern ist Teil der internationalen Emmaus-Bewegung, die sich weltweit für Menschen in Not einsetzt. Neben Bern gibt es in der Schweiz fünf weitere Standorte. Gregor Lehmann und seine drei festangestellten Mitarbeitenden arbeiten unermüdlich daran, den Bewohnern und Companions des Emmaus eine Perspektive zu geben. Hier ist jeder willkommen, der bereit ist, ein Stück seines Lebens selbst in die Hand zu nehmen. «Es ist schön zu sehen, wie Menschen hier wieder Hoffnung schöpfen», sagt Gregor. „Das ist es, was Emmaus ausmacht.» Für Charly ist das Emmaus schlicht «meine grosse Familie».
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