Freie Missionsgemeinde Lausen

Es ist kurz vor 14.00 Uhr, der Lieferwagen der Schweizer Tafel räumt gerade die leeren Kisten wieder ein. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer der Freikirche packen mit an. Heute sei die Lieferung etwas spät dran, aber dank den flinken Händen der Helfenden ist das Gemüse rasch sortiert und schön angerichtet. Jeden Donnerstag ist die Lausner Tafel geöffnet. Um 15.00 Uhr trudeln die Bezüger:innen ein, melden sich im 1. Stock an und dürfen, nach dem sie aufgerufen wurden, im EG für CHF 2.00 einkaufen gehen. Die Produkte sind abgezählt und jede Person erhält gleich viel.

«Lausner Tafel»

Die Freie Missionsgemeinde Lausen wurde im Jahr 1968 gegründet und ist als Verein organisiert. Die christliche Gemeinde öffnet im Rahmen der «Lausner Tafel» seit etwa 17 Jahren ihre Türen für Menschen in Not. Vermittelt werden die Personen durch die politische Gemeinde Lausen, sie stellt den Bedürftigen eine Bescheinigung aus. Mit der Bescheinigung können die Armutsbetroffenen zur Lausner Tafel, die anschliessend einen sogenannten «Food-Pass-Lausen» ausstellt. Es sind rund 60 Karten im Umlauf. Zu den Bezüger:innen gehören vor allem Working Poor und Migrant:innen. Jeden Donnerstag besuchen rund 40 Bezüger:innen die Lebensmittelabgabestelle an der Liestalerstrasse 2. Für die Lebensmittelspenden wurde von Beginn an eng mit der Schweizer Tafel zusammengearbeitet. Nebst Lausen gibt es noch weitere regionale Tafeln in der Nordwestschweiz. Sie arbeiten mit demselben System und tauschen sich, nach Bedarf, untereinander aus.

Als das «Plus» dazu kam

Im Jahr 2014 fingen Thomas Havener als Pastor und Regula Havener als Koordinatorin Projekte & Gemeindebau in der Freikirche an. Den beiden fiel schnell auf, dass die reine Lebensmittelabgabe nicht mehr ausreichte, um die Bedürfnisse der Menschen zu decken. Viele der Bezüger:innen wurden beispielsweise von ihren Kindern begleitet, diese rannten voller Energie im ganzen Haus herum und es herrschte eine eher angespannte Atmosphäre. So entschloss sich Pastor Havener die Kleinen einzusammeln und sie mit Spielen und Geschichten zu unterhalten. «Teilweise verstanden die Kinder weder Deutsch noch konnten sie sich untereinander verständigen. Doch das war ihnen egal, denn sie wussten, dass sie sich in ähnlichen Lebenssituationen befinden und das verbindet.» Aus der kleinen Runde entstanden weitere Angebote, wie die Hausaufgabenbetreuung und später sogar eine «Minichile» für Kinder. Die Eltern waren dafür sehr dankbar, sie konnten in Ruhe die Lebensmittel entgegennehmen und sich mit den anderen Eltern unterhalten. Die Beobachtung der sozialen Interaktion führte zur Einrichtung der Kaffee-Ecke. Regula meint: «Dies war der Beginn der beidseitigen Integration. Wir sind eine christliche Freikirche. Unser Wunsch ist es, die Liebe zu Gott und Jesus zu vermitteln und die Freude daran möchten wir weitergeben.» So entstand über die Jahre gegenseitiges Vertrauen. Alle Personen, egal welcher Religion sie angehören, lernen die christliche Nächstenliebe in der Gemeinde kennen. So gab es schon bald, nebst der Kaffee-Runde, auch gemeinsame Abendessen, Deutschkurse und andere Events. Die Lausner Tafel Plus, ein Projekt von und für Menschen, ist entstanden. «Jede Kultur hat etwas Geniales und das darf Raum haben. Jeder Mensch darf sein, wie er ist und gegenseitige Grenzen werden akzeptiert», fügt Regula an.

Aus einem Füreinander wurde ein Miteinander

Doch für viele Angebote benötigt es viele Helfer:innen. Diejenigen, die selbst Hilfe erhielten, meldeten sich als Freiwillige. «Wir konnten das Engagement zu Beginn kaum glauben. Wir benötigten Unterstützung und für unsere Bezüger:innen war es selbstverständlich, ihre Hilfe anzubieten. Mit der Kleiderbörse beispielsweise habe ich kaum zu tun, die betreuen drei unserer Klient:innen selbstständig.» Etwas amüsiert zeigt Regula auf die Wühltische und erklärt, dass dies ein gutes Beispiel der beidseitigen Integration sei. «Wir Schweizer mögen es geordnet», sagt sie und zeigt auf die sortierten Kleiderständer. «Die Menschen aus den südlichen Ländern lieben Bazare», ergänzt sie und zeigt wieder auf die Wühltische.

Darüber sprechen, von Herz zu Herz

Thomas nimmt sich jeden Donnerstag explizit Zeit für Gespräche. Jede Person hat seine eigene Geschichte. Die Lebensmittelhilfe entlastet das Haushaltsbudget und gibt etwas Sicherheit. Was für Migrant:innen und randständige Personen oft zu kurz kommt, ist die psychische Betreuung. Probleme werden nicht besprochen und wirken sich in anderen Lebensbereichen aus. Daher ist es dem Pastor sehr wichtig, dass in der Freikirche Probleme angesprochen werden. Es hilft über schwierige Lebenssituationen zu sprechen, traumatisierende Erlebnisse zu teilen und so gemeinsam daran zu arbeiten und diese zu verarbeiten. «Bei einigen Besucher:innen hat es Jahre gedauert, bis genügend Vertrauen da war, sich zu öffnen und Hilfe anzunehmen.»

Eine grosse Bereicherung für die Kirche war Samuel Hanna, ein Ägypter, der mit seiner Familie seit drei Jahren in der Schweiz lebt. «Meine Frau ist Schweizerin und als die Zeit für die Einschulung der Kinder kam, entschlossen wir uns, in die Schweiz zu ziehen. Ich bin gelernter Textilingenieur, habe mich aber stets für Menschen interessiert und diverse Weiterbildungen im Bereich Psychologie und Traumabewältigung absolviert. Zudem spreche ich viele Sprachen.» Seit sieben Monaten lebt die Familie in Lausen und Samuel engagiert sich mit Herz als Freiwilliger im Projekt Lausner Tafel Plus. Er selbst ist koptischer Christ, macht aber unter den Menschen keine religiöse Unterscheidung. «Ich helfe denjenigen, die Hilfe benötigen. Durch meine Empathie höre ich oft mehr, als die Notleidenden mir erzählen und kann ihnen so im Gespräch helfen. Ich beschreibe es gerne als «von Herz zu Herz» sprechen. Viele der Migrant:innen sind durch Kriege, Flucht oder Misshandlung traumatisiert. Die Heilung des Geistes hilft ihnen im Leben neu Fuss zu fassen.»

«Gottes Projekt in Lausen»

Dieses wertvolle Miteinander unter den Kulturen unter dem Dach einer christlichen Freikirche sollte schliesslich offiziell gefestigt werden. Seit dem Jahr 2022 arbeitet der Verein als «Gottes Projekt in Lausen». Das Projekt beinhaltet das aktive Miteinbeziehen von Menschen verschiedener Kulturen und Religionshintergründen. 22 Nationen und 19 Sprachen sind zurzeit vertreten. Es wird gemeinsam gebetet und es werden Events organisiert. Jeder nimmt auf seine Art daran teil.

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