Freihuus – Lebensmittelpunkt
«Hättest du gerne einen Kaffee?», werden die Besucher:innen des Freihuus gefragt. Jeden Donnerstag von 10 bis 12 Uhr begrüsst das Team von freiwilligen Helfer:innen ihre Gäste an der Oberdorfstrasse 39 in Wädenswil. Das Café Lebensmittelpunkt dient als Lebensmittelabgabestelle wie auch als sozialer Treffpunkt. Am Eingang stehen jeweils Tragetaschen, gefüllt mit Lebensmittel, bereit zur Abgabe. Bei der ersten Abgabe um 10.00 Uhr kommen finanziell unter Druck stehende Haushalte und bei der zweiten Abgabe um 11.00 Uhr kehren ukrainische Flüchtlinge ein. Pro Haushalt gibt es eine Tasche, danach dürfen sich die Gäste im Café hinsetzen. Je nach Kultur bestellen die Gäste ein heisses Getränk direkt an der Theke, andere lassen sich die Getränke gerne an den Tisch bringen. Nicht jede Person verweilt, einige verabschieden sich nach Erhalt der Tasche. Der grösste Teil jedoch geniesst das gemütliche Beisammen sein und den regen Austausch.
«Zu Beginn des Jahres waren es etwa 50 bis 60 Taschen, die wir abpackten. Jetzt im Juni sind wir bei 100 Taschen», erklärt der Gemeindeleiter und Pastor Josua Eugster. Initiiert wurde das Projekt durch Oliver Affolter, welcher gemeinsam mit Freiwilligen im Jahr 2014 die erste Lebensmittelabgabe in Wädenswil organisierte. Ende 2022 übernahm dann Josua Eugster. Der ehemalige Logistiker bringt wertvolle Erfahrungen mit. «Mit den 100 Taschen ist die Kapazität mit dem bestehenden Team erschöpft. Es kann durchaus sein, dass in Zukunft noch mehr Bedürftige den Lebensmittelpunkt besuchen werden. Dies benötigt dann noch mehr helfende Hände und gute Abläufe. Die Zahl der ärmeren Haushalte ist leider steigend», meint Josua.
Josua und das Team nehmen sich gerne Zeit und setzt sich zu den Gästen an die Tische. Hier und da wird etwas Small Talk geführt und wenn ein Gast bereit ist, über seine Probleme zu sprechen, dann hören die Mitarbeiter vom Team aufmerksam zu. Es werden Ratschläge gegeben, wie mit der Situation umgegangen werden kann. Bei persönlicheren Gesprächen oder auch auf Wunsch der betroffenen Person verfügt das Freihuus über ein Sprechzimmer. Hier können sich die Menschen in einem geschützten Rahmen öffnen. Dass dafür fundiertes Vertrauen wichtig ist, ist dem Team bewusst. Der Pastor erzählt: «Wir sind hier und hören zu, führen Gespräche und zeigen den Menschen, dass wir wohlgesinnt sind und helfen wollen. Diese Aufmerksamkeit wird sehr geschätzt. Die kulturellen Hintergründe und Religion spielen dabei keine Rolle. Im Freihuus ist jeder Mensch herzlich willkommen. Das setzt auch den respektvollen Umgang untereinander voraus. Als Pastor werde ich teilweise um ein Gebet gebeten. Das bedeutet beispielsweise, dass ich für eine Verbesserung der Notsituation der betroffenen Person bete oder auch gemeinsam, jeder in seiner Sprache.»
Für den Pastor und das Team spielen Nächstenliebe und Wertschätzung eine zentrale Rolle. Das Team, bestehend aus rund 15 Jungseniorinnen und Jungsenioren, ist sehr motiviert. Sie stehen jeweils mit einer Kaffeekanne, Tee und einem offenen Ohr bereit. Sie freuen sich, dass sie anderen helfen können. Einige der Helfer:innen waren oder sind selbst von existenziellen Notlagen betroffen und können sich besonders in die Gäste hineinfühlen. John teilt seine Gedanken mit uns: «Seit etwa einem Jahr darf ich hier mitwirken. Ich bin Mitglied der Kirchgemeinde und erfuhr so von der Lebensmittelabgabe. Ich geniesse die Begegnungen mit den verschiedensten Persönlichkeiten. Das Soziale-Café im Anschluss an die Taschenverteilung ist mir wichtig. Beziehungen können gepflegt werden und die Besucher:innen merken, dass sie nicht alleine in ihrer Not sind. Zudem ist es großartig, wie wir gemeinsam Lebensmittel retten.» Liesbeth ist schon länger mit dabei. Als langjähriges Gemeindemitglied träumte sie stets von einem Sozialen-Café. Vom Projekt im Freihuus war sie daher sofort begeistert und packte gleich mit an. Hans fügt an: «Es ist ein persönlicher Wunsch, dass der Lebensmittelpunkt in Wädenswil weiterbestehen darf. Wie fast jedes Projekt, basierend auf Spenden, ist die finanzielle Absicherung nie einfach. Schön, dass wir auf Unterstützung von lokalen Lebensmittelspendern und auf die Schweizer Tafel zählen dürfen. Zudem lebt das Freihuus von ehrenamtlicher Arbeit und privaten Zuwendungen, das sehen wir nicht als selbstverständlich an.» Hansueli, ebenfalls ein Freiwilliger, engagierte sich zuvor bei der Heilsarmee. Mit dem Gedanken, seinen Mitmenschen etwas zurückzugeben, identifiziert er sich: «Ich wünsche mir, dass die Menschen mit Notsituationen offener umgehen und die Bevölkerung sich stärker mit dem Thema Armut in der Schweiz auseinandersetzt.»
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