Freiwilliger Kujtim Oruqui

Mein Name ist Kujtim Oruqui. Ich bin Kosovo Albaner. In meiner Kindheit kam es in meinem Heimatland zu politischen Konflikten zwischen den Kosovo-Albanern und Serben. Noch vor Kriegsausbruch ergriff ich mit 20 Jahren die Flucht in die Schweiz. Ich hatte unglaubliche Angst. Bei meiner Ankunft wurde ich im Asylzentrum Ostermundigen BE untergebracht. Hier hatte ich ein Dach über dem Kopf und fühlte mich seit langer Zeit wieder sicher. Ursprünglich wollte ich nur drei Monate bleiben, bis sich die Situation im Kosovo beruhigte. Doch dann brach der Krieg aus. Mir wurde klar, dass sich mein Aufenthalt auf unbestimmte Zeit verlängern wird. Mir war es wichtig, die Zeit zu nutzen. Daher wollte ich mit meiner Ausbildung fortfahren. Mein Vater ist Goldschmied und brachte mir das Handwerk bei. Doch in der Schweiz ist diese Arbeit ganz anders und ich fand keinen Lehrmeister, der bereit war, mich weiter auszubilden. Dann interessierte ich mich für den Beruf des Mechanikers. Doch auch da fand ich keinen Ausbildungsplatz. Es hiess, dass es aufgrund der sprachlichen Hürde zu schwer für mich sei. Bislang sprach ich nur gebrochen Deutsch. Ich war sehr enttäuscht.

Ich hatte in der Schweiz keine Familie oder Bekannte, an die ich mich hätte wenden können. Per Zufall lernte ich einen Koch kennen, der mir eine Lehrstelle anbot. Ausserdem gab er mir die Möglichkeit Deutsch zu lernen. Ich war überrascht, aber auch sehr dankbar. Nun hatte ich eine Chance auf einen Lehrabschluss. Mein Ausbilder gehört noch heute zu meinen engsten Freunden. Auch viele andere Kontakte aus meinen ersten Monaten in der Schweiz pflege ich weiterhin.

Nach meinem Lehrabschluss zum Koch durfte ich in verschiedenen Betrieben der Region Bern arbeiten. Das Schönste an meinem Beruf waren die vielen Kontakte. Ich lernte die verschiedensten Menschen kennen. Nach sechs Jahren lernte ich eine Schweizerin kennen, wir verliebten uns und heirateten. Nun war keine Asylbewerbung mehr nötig. Ich war sehr glücklich. Denn die Schweiz ist ein wunderschönes Land. Es war mein neues Zuhause. Meine Schwester lebt heute auch in der Schweiz. Der Rest meiner Familie ist noch im Kosovo. Ich besuche sie einmal im Jahr.

Seit meiner Einreise in die Schweiz sind 30 Jahre vergangen. Ich arbeitete noch einige Zeit als Koch, wechselte später in die Lebensmittel-Produktion und anschliessend in die Logistik. Ich durfte zudem die Ausbildung zum Staplerfahrer absolvieren. Danach fand ich eine Stelle bei einer internationalen Firma für Brandschutzglas, in der Glasproduktion. Hier durfte ich mit speziellen Materialien arbeiten. An einem normalen Arbeitstag kam es zum Unglück. Eines der Materialien enthielt Asbest und mein Körper reagierte allergisch. Der Asbest hatte verschiedene Allergien ausgelöst. Nach diversen Behandlungen stand fest, dass diese Allergien nicht mehr weggehen würden. Seither trage ich Notfall-Beschriebe der verschiedenen Substanzen bei mir, auf die ich allergisch reagiere. So können mich Ärzte gleich richtig behandeln. Ich hätte nicht gedacht, dass ich nach meiner Flucht aus dem Kosovo wieder um mein Leben fürchten muss. Die Suva hat meine Krankheit als Arbeitskrankheit anerkannt. Seit über 10 Jahren Jahren lebe ich von Unterstützungsgeldern der IV und SUVA. Diese reichen gerade so aus. Ich lebe ein bescheidenes Leben und beklage mich nicht.

Seit ich bei der SUVA krankgemeldet bin, konnte ich nicht mehr arbeiten. Ich nahm an diversen Arbeitsprogrammen teil, um herauszufinden, welche Tätigkeiten keine allergischen Reaktionen auslösen. Ich war beispielsweise kurzzeitig als Lastwagenfahrer unterwegs, doch das ging nicht gut. Denn die gefährlichen Substanzen waren überall in den zu transportierenden Produkten. Durch ein weiteres Arbeitsprogramm im Jahr 2018 kam ich zur Schweizer Tafel. Ich durfte für die Stiftung als Fahrer mit auf die Sammeltouren. Nach sechs Monaten endete das Programm, ich ging aber trotzdem weiterhin als freiwilliger Fahrer zur Tafel. Anstelle zuhause zu warten, gab mir der Fahrdienst eine fixe Tagesstruktur und ich konnte Menschen helfen, die vielleicht in derselben Situation stecken, wie ich. Es ist schön zu wissen, dass ich etwas zurückgeben kann. Zudem ist das Team der Region Mittelland grossartig. Das Arbeiten in der Stiftung gibt mir Lebensfreude. Wenn es mir gesundheitlich nicht gut geht, halte ich mich fest an diesen Gedanken.

Mit der Unterstützung der IV darf ich schon bald eine Ausbildung zum Busfahrer starten. Das stimmt mich hoffnungsvoll, denn in der Busfahrer-Kabine bin ich vor allergischen Reaktionen geschützt. Dann bin ich bald nicht mehr auf die Unterstützungsgelder angewiesen und darf nach langer Zeit wieder einen festen Job ausüben. 

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