• Innenraum von Soup & Chill Basel mit einem schön geschmückten Tannenbaum in der Mitte.

Das Soup & Chill in Basel

Zum ersten Mal habe ich den Heiligabend nicht zu Hause mit meiner Familie verbracht, sondern bei Soup & Chill in Basel – einer sozialen Institution, die Essen an armutsbetroffene Menschen verteilt.

Ursprünglich war mein Plan, nur zu beobachten und einen Artikel zu schreiben. Doch schon kurz nach meiner Ankunft nahm der Abend eine völlig andere Wendung. Am 24. Dezember öffnet das Soup & Chill seine Türen für alle, die Unterstützung benötigen. Wabi, Claudia, Stefan und das engagierte Team empfangen mich mit einer Herzlichkeit, die sofort ansteckend ist.

In der Küche zaubert die gebürtige Brasilianerin Claudia leckere Minestrone, belegt Pizza und koordiniert die Abläufe. Währenddessen wird unter der Leitung von Wabi und Stefan in den übrigen Räumen sortiert, gepackt und organisiert. Jeder hilft, wo er kann. Noch bevor ich mich versehe, bin ich selbst mitten im Geschehen und leiste meinen Beitrag, indem ich die Lieferungen der Schweizer Tafel sortiere, Nachschub in die Küche bringe und Lebensmittel ausgebe. Es gibt viel zu tun, rund 50 Kisten randvoll mit unterschiedlichsten Lebensmitteln, die der Detailhandel vor den Feiertagen nicht mehr verkaufen konnte, werden zu Mahlzeiten oder Lebensmittelpaketen weiterverarbeitet.

Bald wird mir klar, warum der 24. Dezember hier als Grande Festa bekannt ist. Die Schweizer Tafel, die täglich Lebensmittel rettet und an soziale Institutionen verteilt, ermöglicht es, dass dieser Abend etwas ganz Besonderes wird. Neben den üblichen Produkten wie Früchte, Gemüse und Brot gibt es an Weihnachten vermehrt auch Fleisch, Gebäck, Milchprodukte, Getränke und sogar Blumen. Es ist ein Fest, das den Menschen nicht nur satt macht, sondern ihnen auch einen Moment der Würde und Freude schenkt.

Das Soup & Chill ist weit mehr als nur ein Ort, an dem warme Mahlzeiten ausgegeben und Essen verteilt wird. Es ist ein Rückzugsort, ein Wohnzimmer, ein Platz für Begegnungen. Menschen kommen hierher, um nicht nur etwas Warmes zu essen, sondern auch, um für einen Moment die Last des Alltags abzulegen. Ob Obdachlose, Geflüchtete oder ältere Menschen aus dem Quartier, die Gesellschaft suchen – hier findet jeder einen Platz, ohne Nachweise, ohne Barrieren.

Als ich den Ort spät abends verlasse, bin ich erfüllt von Eindrücken. Es war mein erstes Weihnachten, das sich wirklich gut angefühlt hat – anders, stiller, ehrlicher. Dieser Abend hat mir gezeigt, wie wenig es braucht, um jemandem Freude zu schenken, und wie viel wir als Gesellschaft noch tun können, um Armut und Ausgrenzung in der Schweiz zu lindern.

Ich bin dankbar für die Offenheit und Herzlichkeit, die ich erleben durfte – und voller Bewunderung für die grossartige Arbeit, die das Team von Soup & Chill leistet.

Die Institution Soup & Chill, gegründet 2006 von Claudia Adrario de Roche, Catherine Darge und Irène Lengacher, entstand aus einem dringenden Bedürfnis. Mit dem Bau von Shops und Cafés auf der Passerelle über dem Basler Hauptbahnhof kam es vermehrt zu Spannungen zwischen Reisenden und Randständigen, die sich dort aufwärmten. Claudia, damals Präsidentin des Vereins für Gassenarbeit Schwarzer Peter, und ihre Mitstreiterinnen erkannten: „Man kann niemanden wegweisen, ohne ihm den Weg zu weisen.“ So wurde Soup & Chill ins Leben gerufen, zunächst als saisonales Angebot in einem improvisierten Raum wo sich Menschen ohne Obdach im Winter aufwärmen konnten und eine warme Mahlzeit erhielten. Trotz Platzmangels und instabiler Elektrik wuchs das Projekt dank dem unermüdlichen Einsatz der Gründerinnen über die Jahre hinweg – auch weil sie ihre individuellen Stärken ausspielen konnten und als Team so perfekt harmonierten.

Aufgrund der stetig steigenden Nachfrage ist Soup & Chill heute ein täglicher Treffpunkt für viele Menschen in prekären Lebenssituationen. Das Lokal ist das ganze Jahr über geöffnet und bietet Mahlzeiten, warme Getränke und Lebensmittel zum Mitnehmen an. Seit der Pandemie hat sich die Nachfrage noch einmal deutlich erhöht.

Neben dem regulären Betrieb gibt es den Schwesterverein „Restaurant du Coeur“, ein Beschäftigungsprogramm für Asylsuchende. Vormittags wird der Raum für dieses Angebot genutzt, bei dem Gäste für die Mahlzeiten zahlen können, was sie möchten. Das erfolgreiche Catering-Angebot des „Resto“ trägt zur Quersubventionierung von Soup & Chill bei.

Darüber hinaus verwandelt sich das Lokal regelmässig in einen Kulturraum, der mit Konzerten und Lesungen Menschen aus der Region und Gäste von Soup & Chill zusammenbringt. Die Unterstützung durch die Schweizer Tafel, die die Institution am Basler Hauptbahnhof täglich kostenlos mit geretteten Lebensmitteln versorgt, hilft, die Kluft zwischen Überfluss und Mangel zu überwinden.

Text und Fotos
Isabel ist Teil des Kommunikationsteams der Schweizer Tafel. Persönlich ist Sie neugierig und interessiert sich ausserordentlich für Gesprochenes und Geschriebenes und das unausweichliche Schicksal der Menschen.

Der Text entstand am Dienstag, 24. Dezember 2024, anhand eines Besuchs bei Soup & Chill, welches von der Schweizer Tafel wöchentlich mit geretteten Lebensmitteln versorgt wird.

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