ThanksGiver

«Kennst du das, du hast ein wunderschönes Leben und möchtest von diesem Glück etwas zurückgeben?»

Laura Rosso ist Italienerin, die Gründerin von ThanksGiver und gelernte Maskenbildnerin. Sie ist bereits viel in der Welt herumgereist. Auf ihren Reisen hat sie an den verschiedensten Orten Armut und Hunger gesehen. Diese Erfahrungen bewogen sie dazu, sich sozial zu engagieren. Sie setzte bereits in London und Indien verschiedene Projekte um. Immer in Zusammenarbeit mit den lokalen Leuten vor Ort. «Ich wollte mich so bei den Menschen vor Ort für meine gute Zeit in ihrem Land bedanken.» Als Laura dann für ihre Arbeit in die Schweiz reiste, realisierte sie überrascht, dass es auch hier Armut und Hunger gab. Sie entschied sich zu bleiben. Nun lebt sie seit sechs Jahren in Basel und hat in dieser Zeit ihr neustes Projekt «ThanksGiver» aufgebaut. «Es war schwierig ein Lokal für die geplante Lebensmittelbank zu finden. Schliesslich bot die evangelische Gemeinde Birsfelden ihren Gemeindesaal an. Ich freute mich sehr darüber. Vor drei Jahren fand dann die erste Lebensmittelabgabe in Birsfelden statt», erzählt Laura.

Die Stiftung Schweizer Tafel gehört zu den Hauptpartnern. Jeden Donnerstag liefert die Stiftung die geretteten Lebensmittel an den Birsstegweg 5 in Birsfelden. Jeweils ein Fahrzeug gefüllt mit Ware, oft auch zwei und selten sogar drei voll beladene Fahrzeuge. Laura erklärt, weshalb so viel Ware benötigt wird: «Uns besuchen rund 450 Personen, die Lebensmittel für ihre ganze Familie abholen. Das, was sie mitnehmen, muss dann eine Woche lang ausreichen. Logistisch ist das ein ziemlicher Aufwand. Dank unseren 15 freiwilligen Helfer:innen, die sich regelmässig für Einsätze melden, ist es machbar. Zusätzlich unterstützt uns die evangelische Gemeinde mit dem Betrieb einer Kaffee-Stube. Wir sind dankbar, können wir den Besucher:innen diesen Mehrwert bieten.»

Ein Donnerstag am Birsstegweg 5

Es ist Donnerstag, 14.00 Uhr. Kurz danach fahren zwei Lieferwagen der Schweizer Tafel vor. Ein Helfer von ThanksGiver hat die Lieferwagen sofort bemerkt und ruft die anderen herbei. Gemeinsam mit den zwei Zivildienstleistenden der Schweizer Tafel laden sie die Ware aus und bringen diese in den Gemeindesaal für die Sortierung. Nachdem alle Lebensmittel im Saal sind, verabschieden sich die Zivis der Schweizer Tafel und fahren weiter. Laura ruft im Saal zur Teambesprechung auf. Es wird beraten, wie sie die Lebensmittel auf den Tischen arrangieren wollen. Die Bezüger:innen sind für die Abgabe in zwei Gruppen unterteilt, daher ist es wichtig, dass für die zweite Gruppe ebenfalls genügend Ware vorhanden ist. Dafür legen die Helfer:innen einen Teil der Ware zurück.

Jetzt ist es 15.20 Uhr und draussen vor dem Eingang bildet sich eine Schlange. Doch die Besucher:innen von ThanksGiver müssen sich noch etwas gedulden. Eine weitere angekündigte Lieferung der Schweizer Tafel fehlt noch. Um halb vier fährt das Fahrzeug schliesslich vor. Nun wird die Ware möglichst schnell ausgeladen und nach innen getragen werden. Alle freiwilligen Helfer:innen packen nochmals mit an. Gegen 16.00 Uhr ist alles bereit. Heute sind die Tische reich bestückt. Es stehen verschiedenes Gemüse, Obst, Backwaren und haltbare Lagerprodukte wie Suppen und Saucen bereit. Draussen im Gang konnte eine Süssigkeiten-Theke eingerichtet werden. Nun verteilen sich die Helfer:innen für die Lebensmittelausgabe auf die Tische. Es kann losgehen. Laura kümmert sich um die Einlasskontrolle und läuft dafür zur Eingangstür. Sie begrüsst jede/n Besucher:in mit einem herzlichen Lachen und lässt nach und nach die Leute herein. «Wir lassen die Bezüger:innen in 5er-Gruppen rein, damit es an den Tischen im Saal nicht zu voll wird», erklärt Laura.

Die Gäste scheinen bei ihrem Besuch entspannt, denn sie wissen, dass die Lebensmittel fair verteilt werden und auch die letzte Person noch gute Waren erhält. ThanksGiver wechselt die Reihenfolge der Personen jeweils ab. Jede Person wird registriert und erhält eine Zeit zugewiesen. Heute funktioniert dieses System ziemlich gut, doch das war am Anfang nicht so einfach, meint Laura: «Zu Beginn mussten wir mit den Besucher:innen sehr streng sein. Wenn sie vor der angegebenen Zeit erschienen sind, haben wir sie ans Ende der Schlange geschickt. Leute, die sich an ihr Zeitfenster halten, sollen nicht benachteiligt werden. Bei unserem bunten Mix an Kulturen hat es etwas gedauert, bis es alle verstanden. Gäste, die schon länger zu uns kommen, erklären es mittlerweile den Neuzugängen», meint Laura.

Nachdem die Bezüger:innen ihre Taschen mit Lebensmitteln für ihre Familie gefüllt haben, bleiben einige noch in der Kaffeestube stehen. Hans-Peter und Lukas von der evangelischen Gemeinde nehmen Kaffee- und Teebestellungen entgegen. Heute gibt es sogar etwas Kuchen dazu. «Wir drängen uns den Besucher:innen nicht auf. Wir stehen mit einem offenen Ohr bereit, wenn sie mit uns sprechen wollen», erklären sie.

Nach etwa 50 Minuten ist die erste Gruppe durch und draussen steht bereits die zweite Gruppe bereit. Bevor Laura die nächsten Bezüger:innen herein lässt, bestücken die freiwilligen Helfer:innen die Tische mit der zuvor zurückgehaltenen Ware. Wieder sind die Tische reich befüllt. Es geht weiter. Nach einer weiteren Stunde hat sich der letzte Besucher verabschiedet und alle Tische im Saal sind leer. Nun kümmern sich alle ums Aufräumen und um die Reinigung der Räumlichkeiten.

Freiwillige von ThanksGiver berichten

Lidia wohnt in Birsfelden und unterstützt das Projekt fast seit Beginn. «ThanksGiver hatte gerade mal einen Monat geöffnet, als mir beim Vorbeigehen die vielen Leute in der Schlange aufgefallen sind. Ich dachte mir, dass es sich wohl um eine Essensverteilung handeln musste. Interessiert, wie ich war, erkundigte ich mich bei einem der Helfer und erhielt den Kontakt von Laura. Bei der nächsten Lebensmittelabgabe packte ich bereits selbst mit an. Seither helfe ich an den Donnerstagen regelmässig mit», erzählt sie.

Lara ist erst seit Kurzem mit dabei. Auch sie lebt in der Region Basel und hatte nach einer sinnvollen Tätigkeit gesucht. Über Benevol, eine Plattform für Freiwilligenarbeit, stiess sie auf das ThanksGiver-Projekt. Sie berichtet, wie es ihr bisher gefallen hat: «Die Arbeit macht Freude und mir gefällt der Kontakt zu den Besucher:innen.»

Jessica Wyss, Mitarbeiterin Back Office der Schweizer Tafel, hat noch einen weiteren freiwilligen Helfer befragt, Larry, und musste etwas schmunzeln: Hier scheint jeder Vorname mit «L» zu beginnen. Larry kommt ursprünglich aus Nigeria. Seit fünf Jahren lebt er mit seiner Familie in Basel. Durch einen Bekannten hat er von ThanksGiver erfahren. «Ich suche zurzeit eine neue Arbeitsstelle. Daher ist es schön, wenn ich mich an den Donnerstagen bei der Lebensmittelabgabe engagieren kann. Hin und da nehme ich auch etwas von der Ware nach Hause. Doch ich bin hauptsächlich hier, weil ich helfen möchte», erklärt er.

ThanksGiver hat mittlerweile zwei Standorte für ihre Lebensmittelausgabe. Nebst Birsfelden findet auch in Muttenz, in den Räumlichkeiten der evangelischen Mennonitengemeinde Schänzli, eine Abgabe statt. Laura möchte noch weitere Standorte eröffnen, denn die Nachfrage nach Lebensmittelhilfe ist in den letzten Monaten rapide gestiegen. Dies bestätigt auch Michele Hostettler, Leiter der Region Nordwestschweiz bei der Schweizer Tafel. «Der Bedarf an Lebensmitteln ist aufgrund der Krisen in den vergangenen Monaten stark angestiegen. Immer mehr Menschen suchen sich Hilfe bei Organisationen mit Lebensmittelbanken. Diese Organisationen fragen dann bei uns nach noch grösseren Lieferungen. Die Logistik der Stiftung wurde parallel zu den Krisen hochgefahren, es wurden Touren optimiert und Gesprächen mit neuen Filialen aufgenommen.»

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