Therese – Working Poor

3.00 Uhr früh, der Wecker klingelt. Langsam setzt sich Therese im Bett auf und denkt «wieder ein neuer Tag.» Sie kleidet sich an, geht am Zimmer ihrer Tochter vorbei, die noch ruhig schläft, dann frühstückt Therese, setzt sich in ihr Auto und fährt zur Arbeit. Der Tank ist fast leer. Also hält sie bei einer Tankstelle an und beobachtet, wie die Zahl auf der Zapfsäule nach oben schiesst. Es reicht heute nicht den Tank zu füllen, das lässt ihr Monats-Budget nicht zu. Nächste Woche ist Zahltag, bis dahin muss es noch reichen.

4.00 Uhr, auf der Arbeit nimmt sie die Werbepost und Zeitungen entgegen, die sie heute austragen soll. Therese liest die Verteilerliste durch und setzt sich wieder in ihr beladenes Auto. Sie lebt schon seit 2.5 Jahren im Sensebezirk und kennt die Region mittlerweile gut. Ursprünglich hatte sie Gärtnerin gelernt, doch nach ihrer Heirat wurde sie Mutter von drei Kindern und kümmerte sie sich um Familie und Haushalt. Als die Kinder alt genug waren, suchte sie sich wieder eine Arbeit. Der Job als Werbeträgerin passte von den Arbeitszeiten zur Familie, als Gärtnerin wäre sie zu unflexibel gewesen. Nach ihrer Scheidung musste sie sich allein um drei Kinder kümmern. Ein erneuter Berufswechsel lag in dieser Zeit nicht drin. Heute lebt nur noch die jüngste Tochter zu Hause. Doch nach über 20 Jahren hat sie den Anschluss ans Berufsleben verloren. Zudem hat sie mit Arthrose zu kämpfen. Sie wüsste nicht, wie sie noch umschulen könnte. Theres arbeitet an sieben Tagen die Woche. Mittwochs bis Freitag jeweils den ganzen Tag und Samstag bis Dienstag einen halben Tag.

6.00 Uhr, nach zwei Stunden, sind die Medien in den Briefkästen der Senslerinnen und Sensler verteilt. Nun rasch nach Hause. Zuhause gönnt sich Therese eine kurze Pause. Doch in Gedanken plant sie bereits den restlichen Tagesablauf. Ihre Tochter wird gleich aufstehen, und die Mutter fährt sie zu ihrem Beschäftigungsprogramm. Um ca. 8.00 Uhr kann Therese dann mit der zweiten Charge Werbungen starten, die sie zu verteilen hat.

Kurz vor Mittag ist Therese wieder zu Hause und steht in der Küche, öffnet den Kühlschrank und betrachtet dessen Inhalt. Nicht gerade viel, was sie da sieht. Ein paar Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln, eine Milch, Butter, ein Stück Käse und noch ein Glas Konfitüre stehen darin. Das Gemüse ist bereits etwas «matschig», also entscheidet sie sich für eine feine Gemüsesuppe. Ein hartes Stück Brot hat sie auch noch übrig, das legt sie in etwas Milch ein und mixt es mit dem Pürierstab unter die Suppe.

12.00 Uhr, ihre Tochter setzt sich an den Küchentisch und gemeinsam schlürfen sie die Suppe. Ihre Tochter bedankt sich für das Essen und erkundigt sich danach, was es wohl morgen geben wird. «Mal schauen, was die Wundertüte heute hergibt. Lassen wir uns überraschen. Vielleicht ist dieses Mal auch etwas Fleisch mit dabei», antwortet die Mutter, denn es ist Dienstag. Jeweils am Dienstag darf Therese in Düdingen bei der FEG Lebensmittelabgabe kostenlos eine Tasche mit Lebensmitteln abholen.

Am Nachmittag kümmert sich Therese um den Haushalt. Gegen 16.00 Uhr macht sie sich wieder bereit und fährt in Richtung Düdingen. Sie parkt vor dem Gebäude der FEG, Freie Evangelische Gemeinde Düdingen-Freiburg. Sie ist eine der ersten, sieht aber bereits die freiwilligen Helfer:innen im Saal, die die letzten Taschen abpacken. Im Wartebereich setzt sie sich hin. Nach und nach treffen bekannte Gesichter ein. Sie begrüssen einander. Es sind aber auch wieder unbekannte Gesichter mit dabei. Um 17.00 Uhr dürfen die Besucher:innen der Lebensmittelabgabestelle am Küchentresen einen Kaffee holen und heute gibt es auch ein paar Mini-Muffins dazu. Es wird geredet und nachgefragt, wie es einem in der vergangenen Woche ergangen ist. «Ich finde es schön, dass wir hier über unsere Probleme sprechen können und wissen, dass man verstanden wird. Hin und da können wir uns auch Ratschläge geben.»

Die Anmeldung der Essensausgabe startet. Therese holt ihren QR-Code hervor, stellt sich in die Anmeldeschlange und hält schon bald eine Tasche mit Lebensmitteln für ihren 2-Personen-Haushalt in den Händen. Sie schaut hinein und meint: «Toll, da ist ein Pack Fleischkäse drin und sogar ein paar «Schöggeli», da wird sich meine Tochter freuen.» Therese lächelt. Die Lebensmittel reichen etwa bis Samstag, allenfalls auch bis Sonntag. Dann muss sie nur wenig hinzukaufen. Das beruhigt sie, denn das Budget bis Ende Monat ist bereits knapp. So sollte es gerade ausreichen. Die Besucher:innen bleiben noch etwas sitzen, dann verabschieden sie sich und machen sich auf den nach Hause weg. Zuhause bereitet Therese das Abendessen vor. Nach dem Essen legt sie sich auf der Couch nieder. Sie spürt, wie ihre Gelenke schmerzen. Gegen 20.00 Uhr geht Therese zu Bett und schläft, bis der Wecker um 3.00 Uhr früh wieder klingelt.

Therese ist eine von vielen alleinerziehenden Frauen, die den Anschluss im Berufsleben verloren haben. Sie arbeitet für verschiedene Arbeitgeber, damit sie auf ihre Stunden kommt und trotzdem reicht das Geld am Ende des Monats kaum aus. Lebensmittelhilfen entlastet das Haushaltsbudget solcher Familien sehr. Helfen Sie mit und unterstützen Sie unsere Stiftung, die Tag täglich kostenlos 24 Tonnen Ware an soziale Einrichtungen, wie die Lebensmittelabgabe in Düdingen, verteilt.

Am Ende unseres Gesprächs ergänzt Therese: «Schämt euch nicht für das knappe Budget. Schämt euch nicht Hilfe anzunehmen. Schämt euch nicht nach Hilfe zu fragen. Wir sind alles Menschen und sind es wert, dass man uns hilft.»

Letzte Beiträge aus der Rubrik Einblicke

Röbi – Freiwilliger

«Jetzt hier links abbiegen, dann da vorne rechts auf den Vorplatz», weist Röbi den Fahrer an. Ein Navi ...

Gassenarbeit Elim

Der Zivildienstleistende Andy ist als erster im Haus Elim und startet mit den Vorbereitungen für den heutigen Tag. ...

Amir – Flüchtling

«Meine Füsse schmerzen, die Sohlen meiner Schuhe sind abgelaufen. Mein Blick ist fest nach vorne gerichtet. Ich gehe immer ...

Sissacher Tafel

«Brauchen wir in Sissach eine Lebensmittelabgabestelle?», auf diese Frage kam vor einigen Jahren ein «Nein» in der Gemeinde Sissach. ...

Stiftung Suchthilfe

Bei grosser Not und grossem Elend steigt die Nachfrage nach Angeboten von sozialen Einrichtungen. In St. Gallen gab ...

2023-03-07T09:43:40+01:00
Nach oben