Verein Phari, Therwil und Reinach BL

Wir haben uns an einem Dienstagnachmittag um 14.30 Uhr mit Gabi Huber und Brigitte Marques im Vereinslokal des Vereins Phari in Therwil verabredet. Die Vorbereitungen für die Abgabestelle sind in vollem Gange. Die Schweizer Tafel hat soeben mehrere Kisten Lebensmittel geliefert, darunter Brot, Joghurt, Früchte, Gemüse, Orangensaft und vieles mehr. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer sortieren die Waren und packen sie in die vorbereiteten Taschen. Gabi und Brigitte behalten den Überblick, packen selbst mit an und stehen dem Team bei Fragen zur Verfügung.

Wie alles begann
Anfang 2015 erfuhren Gabi und Brigitte im Bekanntenkreis von einer Notsituation. Als sie realisierten, dass eine armutsbetroffene Familie keine Hilfe erhält, nahmen sie die Sache selbst in die Hand. «Wir stellten fest, dass es hier im Leimental keine Hilfsangebote gab», erzählt uns Gabi. Im Februar 2015 gründeten die beiden Freundinnen den Verein Phari, im Juni 2015 haben sie den ersten Standort in Therwil eröffnet. Wenig später, im September 2015, ereilte sie die erste Flüchtlingswelle. «Es hat von Beginn an gut funktioniert, weil Gabi und ich ein eingespieltes Team sind. Wir haben eine gute Streitkultur, aber auch sehr ähnliche Werte und Vorstellungen», so Brigitte.

Zwei Abgabestellen und viel Herzblut
Die Abgabestelle in Therwil ist jeweils dienstags, mittwochs und donnerstags ab 16 Uhr bzw. ab 17 Uhr für 1.5 Stunden geöffnet. Die Abgabestelle in Reinach, die ebenfalls zum Verein Phari gehört, öffnet ihre Türen jeden Dienstag um 16 Uhr. Die Räumlichkeiten in Therwil sind hell und freundlich und das dazugehörige Bistro lädt zum Verweilen ein. Die liebevolle Einrichtung und die Dekoration aber auch die engagierten Helfer:innen spiegeln das Konzept der beiden Gründerinnen wider. «Wir wollen schnell und unbürokratisch helfen, einander mit Wertschätzung begegnen und den armutsbetroffenen Menschen einen würdevollen Rahmen bieten. Ausserdem soll unser Vereinslokal den sozialen Austausch ermöglichen», beschreibt Brigitte den Leitgedanken des Vereins Phari. Wir dürfen einen Blick in den Kühlschrank werfen. Er ist bis zum Rand gefüllt. Die feinen Sandwiches, Patisserie und Kuchen von der Bäckerei Grellinger in Therwil und Reinach werden später den Bezügerinnen und Bezügern serviert.

Pro Tag und Abgabestelle beziehen rund 60 Haushalte Lebensmittel über den Verein Phari, am Donnerstag sind es aktuell rund 25 Haushalte. Der Donnerstag wurde aufgrund der grossen Nachfrage vor zwei Wochen neu eingeführt. «Insgesamt erreichen wir mit unseren Abgabestellen etwa 600 bis 700 Menschen. Mehr können wir momentan nicht aufnehmen, weil wir nicht mehr Lebensmittel erhalten. Wir haben aber eine Warteliste,» so Gabi zur aktuellen Situation. «Natürlich spüren wir den Einfluss des Ukraine-Kriegs, aber auch die Angst vor den steigenden Kosten aufgrund der Teuerung. Die Nachfrage wird Anfang des nächsten Jahres bestimmt noch weiter zunehmen.»

Ein durchdachtes System
Der Verein Phari sei wie eine kleine Firma aufgebaut. Gabi und Brigitte haben Abläufe eingeführt, die gut funktionieren und einfach umgesetzt werden können. In Therwil arbeitet das Team aufgrund der engen Platzverhältnisse mit einem Taschensystem, das heisst die Bezügerinnen und Bezüger erhalten, für einen Unkostenbeitrag von zwei Franken, eine fertig gepackte Tasche. In Reinach werden die Lebensmittel auf einem Buffet aufgebaut, mit einem definierten Abgabeschlüssel dürfen die Klientinnen und Klienten ihre benötigten Waren, ebenfalls für zwei Franken, selbst auswählen.

Die Abnehmerinnen und Abnehmer müssen sich vorgängig registrieren und ihre Finanzsituation offenlegen, Ausnahmen sind Anmeldungen via Sozialhilfe. Danach wird der Antrag geprüft und, sofern alle Kriterien erfüllt sind, eine Berechtigungskarte ausgestellt. Auf dieser Karte sind die Familiengrösse und die Lebensmittelmenge pro Bezug aufgeführt. Wenn jemand gemäss den eingereichten Unterlagen genügend Geld hat, aber seinen Lebensunterhalt trotzdem nicht bestreiten kann, ziehen Gabi und Brigitte ihren Sozialberater hinzu. Die registrierten Abnehmer:innen müssen jede Woche erscheinen oder sich frühzeitig abmelden. Wer dreimal unentschuldigt fehlt, wird zum Gespräch gebeten: «Diesen Personen müssten wir die Bezugskarte eigentlich entziehen. Wir haben aber zu allen Klientinnen und Klienten ein sehr gutes Verhältnis und klären allfällige Probleme zuerst im persönlichen Gespräch. Manchmal kommt ein Krankenhausaufenthalt oder eine familiäre Angelegenheit dazwischen. Dafür haben wir Verständnis», berichtet uns Gabi.

Ein grossartiges Team und zuverlässige Partner
Dass Gabi und Brigitte seit über sieben Jahren ihren Verein führen dürfen, verdanken sie auch einem grossartigen Team, bestehend aus 90 Helferinnen und Helfern, und zahlreichen Partnern und Unterstützern. Gabi geht sogar noch einen Schritt weiter: «Ohne die gute Zusammenarbeit mit der Schweizer Tafel und die Lebensmittelspenden, die wir viermal pro Woche erhalten, würde es den Verein Phari nicht geben. Das darf und muss man an dieser Stelle erwähnen». Auch für die Backwaren und Patisserie der Bäckerei Grellinger seien sie sehr dankbar. Hinzu komme, dass eine grosszügige ältere Dame seit Jahren die Miete des Vereinslokals in Therwil finanziert. Gabi und Brigitte sind zu 50% beim Verein Phari angestellt, ihre Gehälter werden über eine Stiftung und die Spende eines älteren Ehepaares finanziert. Auch der erwähnte Sozialberater ist zu 20% angestellt und durch eine Stiftung finanziert. Die Abgabestelle in Reinach findet im Jugendcafi Paradiso statt und wird vollständig über die Gemeinde Reinach subventioniert, unter der Voraussetzung, dass dort nur Bezügerinnen und Bezüger aus der eigenen Gemeinde zugelassen sind. In Härtefällen bietet der Verein Phari auch finanzielle Hilfe, die sogenannte Einzelfallhilfe, an. Für diesen Bereich sammeln Gabi und Brigitte Spenden.

Auf die Frage, weshalb sie sich so für armutsbetroffene Menschen einsetzen, antwortet Gabi: «Ich möchte etwas zurückgeben, weil es mir selbst immer gut ging. Dass es Menschen gibt, die durch das System fallen, ist schwer zu begreifen.» Und Brigitte ergänzt: «Was heisst es «Mensch» zu sein? Was ist der Sinn des Lebens? Für uns ist es die gegenseitige Hilfe. Wenn wir dann die Dankbarkeit unserer Klientinnen und Klienten spüren oder Zeichnungen der Kinder erhalten, ist das ein schöner Lohn.»

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