• Kreativwand im Garten des Haus Zueflucht

Haus Zueflucht im Zürcher Kreis 5 – Menschlichkeit und Gemeinschaft

Es ist kurz nach 10 Uhr, als wir die Fabrikstrasse im Zürcher Kreis 5 entlanggehen.

Vor dem lilafarbenen Haus mit der Nummer 28 bleiben wir stehen. Im Haus Zueflucht herrscht bereits reges Treiben. Im Keller wird eine neue Waschmaschine angeschlossen, während im Treppenhaus Kisten gestapelt werden.

Chris Stocker, der Geschäftsführer, empfängt uns herzlich in den frisch renovierten Büroräumen.

Seit zehn Jahren arbeitet Chris für den Verein. «Früher war ich im IT- und Consultingbereich tätig,» erzählt er. «Aber ich wollte etwas machen, das wirklich Sinn stiftet. Nach einem Praktikum in der Sozialarbeit war mir klar: Ich will mit Menschen arbeiten.» Mit fast fünfzig Jahren entschied er sich, noch einmal zu studieren. «Das war nicht immer einfach, aber es hat sich gelohnt. Mein betriebswirtschaftliches Wissen hilft dem Verein, finanziell stabil zu bleiben.»

Chris Stocker, Geschäftsführer Haus Zueflucht

Im gemütlichen Garten, zwischen Blumen und Bäumen, berichtet Chris von einer prägenden Erfahrung: «Für meine Bachelorarbeit habe ich eine Woche auf der Strasse gelebt. Das hat mein Verständnis für die Betroffenen nachhaltig verändert. Manche Menschen, die ich damals kennengelernt habe, besuchen mich noch heute.»

Er erinnert sich – «Die Reduktion auf das Wesentliche – Essen, Trinken, Wärme, Schlaf –wurde mir schmerzlich bewusst. Einen Schlafplatz in Zürich zu finden, war für mich als Nicht-Zürcher fast unmöglich.»

Diese Erfahrung hat ihn dazu bewegt, zusätzlich das Gassenlokal Zueflucht Pace im Kreis 4 für die kalten Wintermonate zu eröffnen. «Wir bieten zwar keine Schlafplätze, aber hier können sich die Menschen aufwärmen, bekommen Decken und warme Getränke – und sie sind nicht allein. Das hilft schon sehr.»

Chris erklärt weiter: «Sind die Grundbedürfnisse gedeckt, kommen emotionale und psychische Belastungen zum Vorschein. Das sehe ich auch bei den Menschen, die bei uns wohnen. Dann beginnt die eigentliche Arbeit.»

  • Kreativwand im Garten des Haus Zueflucht

Der Verein finanziert sich über Leistungsverträge mit der Stadt und dem Kanton. «Ein Nebenprojekt, das uns auch finanziell unterstützt, ist die Imkereiabteilung. Diese betreibt Beno Kehl als Arbeitsintegrationsprojekt.»

Das Team umfasst zehn Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen. «Wir haben immer zwei Hochschulabsolvent:innen im Praktikum», sagt Chris.

Das betreute Wohnen bietet insgesamt 35 Plätze im Haus und eine Aussenwohngruppe in Leimbach. «Unsere Verpflegung wird von Organisationen wie der Schweizer Tafel, Tischlein deck dich und der Stiftung St. Jakob unterstützt. Ohne diese Hilfe könnten wir vieles nicht stemmen.»

Im ersten Stock treffen wir Beno Kehl, den Gründer des Hauses und ehemaligen Franziskanermönch. Das Konzept des Haus Zueflucht beruht auf den Grundsätzen des franziskanischen Menschenbildes, auf dessen Grundlage Beno den Verein vor 25 Jahren gegründet hat.

Das franziskanisch geprägte Menschenbild

 Das franziskanische Menschenbild kommt von Franz von Assisi und
bedeutet im Grunde – Liebe, Frieden und Zusammenhalt für alle.
Jeder Mensch ist wertvoll und einzigartig.
Sei freundlich, bescheiden und hilfsbereit.
Er lebte arm, um Gott und anderen Menschen besser helfen zu können.
Man soll niemanden ausschliessen und allen mit Respekt begegnen.
Die Umwelt und die Erde sind wichtig und sollen geschützt werden.

Während Beno das Mittagessen vorbereitet, sagt er: «Die Menschen haben nicht zu wenig zu essen, sondern zu wenig Gesellschaft, Austausch und Nähe. Heute meiden viele Menschen andere, wo es nur geht.» Routiniert schiebt er ganze Poulets in den Ofen, bereitet Süsskartoffel Fries, Gemüse und Sauce zu. «Jeden Montag gibt es ein gemeinsames Mittagessen. Dann sind meistens zehn bis zwanzig Leute da», erklärt Beno. Er liest das Tagesevangelium vor, danach wird gemeinsam gebetet. «Wer möchte, kann teilnehmen. Aber niemand muss – Spiritualität und Glaube sind ein Angebot, kein Zwang.»

Beno erzählt uns mehr vom Imkerprojekt – «Früher hatten wir die Bienen auf dem Dach, aber das ging irgendwann wegen der Nachbarn nicht mehr. Jetzt sind sie bei mir in Wallenwil.» Er schmunzelt. «Wir betreiben das Sieben-Stern-Imkern – eine spirituelle Form. Die Bienenhäuser stehen im Kreis in Form eines siebenzackigen Sterns. Ein Teil des Honigs bleibt immer bei den Bienen.»

Pünktlich um 12 Uhr läutet die Glocke. «Jetzt kommen sie alle zum Essen», lacht Beno. Aus allen Richtungen strömen die Menschen in den Aufenthaltsraum.

Gemeinsames Mittagessen im Haus Zueflucht

Was ist Siebensternimkern?

Das Siebensternimkern ist eine besondere, spirituell geprägte Form der Bienenhaltung. Die Bienenstöcke werden dabei in einem Kreis oder in der Form eines siebenzackigen Sterns aufgestellt. Diese Anordnung orientiert sich an alten Symbolen für Harmonie, Glück und Vollkommenheit. Im Siebensternimkern steht das Wohl der Bienen im Mittelpunkt: Ein Teil des Honigs bleibt stets im Stock, damit die Bienen genug Nahrung haben. Die Methode legt Wert auf einen respektvollen, achtsamen Umgang mit den Tieren und die Verbindung von Natur, Spiritualität und nachhaltiger Imkerei.

Letzte Beiträge aus der Rubrik Einblicke

2025-06-26T08:55:14+02:00
Nach oben